Preisverleihung 14. Oktober 2024
Preisverleihung 14. Oktober 2024
August 1571: Elisabeth I. herrscht in England, und Mary Grey, ihre Cousine, ist wütend. Sie ist sechsundzwanzig, kleinwüchsig und hat einen Thronanspruch. Mary Grey will frei sein, einen eigenen Haushalt und das Sorgerecht für ihre Stiefkinder. Nichts von alledem bekommt sie, und anstatt das still hinzunehmen, begehrt sie auf. Sie beschließt, einen Bericht zu schreiben - eine Abrechnung mit dem Königshof. Dabei stellt sie fest, dass ihr Handeln und das ihrer Familie ebenso willkürlich und unfrei war wie das aller anderen. Und dass es erste Anzeichen gibt, wieder in Gnade aufgenommen zu werden.
Inger-Maria Mahlkes "Wie Ihr wollt" ist ein historischer Roman und bitter-komische Dekonstruktion des Genres historischer Roman. Weltgeschichte im toten Winkel eines Kammerspiels, geschildert aus der Perspektive einer kleinwüchsigen Herrscherin im Wartestand. Indem Mahlke eine Machtlose, gefangen im Kerker ihres Körpers, zur Protagonistin macht, gelingt ihr ein fulminantes Stück weiblicher Gegengeschichtsschreibung und radikale Gegenwartskritik im Tudor-Gewand.
Rosa kehrt zurück nach Teneriffa, in das heruntergewirtschaftete Haus der vormals einflussreichen Bernadottes. Rosa sucht. Was, weiß sie nicht genau. Ihr Großvater Julio war Kurier im Bürgerkrieg, war Gefangener der Faschisten, er floh und kam wieder, und heute hütet er die letzte Lebenspforte der Alten von der Insel. Einer, der Privilegien nur als die der anderen kennt. „Archipel“ führt rückwärts durch Julios Jahrhundert, das der Bautes und Bernadottes, der Wieses, der Moores und González’, aber auch derer, die keine Namen haben.
Der Archipel liegt am äußersten Rand Europas, Schauplatz ist die Insel Teneriffa. Gerade hier verdichten sich die Kolonialgeschichte und die Geschichte der europäischen Diktaturen im 20. Jahrhundert. Inger-Maria Mahlke erzählt auf genaue und stimmige Weise von der Gegenwart bis zurück ins Jahr 1919. Im Zentrum stehen drei Familien aus unterschiedlichen sozialen Klassen, in denen die Geschichte Spaniens Brüche und Wunden hinterlässt. Vor allem aber sind es die schillernden Details, die diesen Roman zu einem eindrücklichen Ereignis machen. Das Alltagsleben, eine beschädigte Landschaft, aber auch das Licht werden in der Sprache sinnlich erfahrbar. Faszinierend ist der Blick der Autorin für die feinen Verästelungen in familiären und sozialen Beziehungen.