Preisverleihung 14. Oktober 2024
Preisverleihung 14. Oktober 2024
So möchte man nicht leben. Aber so wird gelebt. Monika Helfer schaut genau hin, und sie entdeckt Menschen. Vev ist ein Scheidungskind, ihre Familie ist größer, als sie es schon einmal war. Da ist die Mutter, Sonja, die auch mithilfe von Drogen nicht recht über die Scheidung hinwegkommt, und da ist ihr Neuer, den alle nur The Dude nennen, einer, der die Dinge in die Hand nimmt und aufräumt in Sonjas Leben. Und da ist Milan, Vevs Vater, der zu Natalie und ihren beiden Töchtern zieht, aber auch in seiner neuen Familie nicht den richtigen Platz findet. Sie alle gehören irgendwie zusammen, weil sie nicht voneinander loskommen. Und Vev? Und die anderen Kinder? Die Kinder lernen schnell, wie das Spiel läuft, und spielen es bald besser als die Erwachsenen. Es sind skandalös alltägliche Verhältnisse, die Monika Helfer in den Blick nimmt. Sie geht nahe heran an die Menschen, die darin leben, die mit sich und den anderen zurechtzukommen versuchen. Ihr Blick ist entlarvend, aber auch voller Empathie, schonungslos, aber immer im Dienst der Aufrichtigkeit. Und was aus größerer Entfernung wie eine Familie aussieht, ist bei näherer Betrachtung eben oft nicht mehr als ein fein austariertes System von Eigeninteressen.
Ein Mann mit Beinprothese, ein Abwesender, ein Witwer, ein Pensionär, ein Literaturliebhaber. Monika Helfer umkreist das Leben ihres Vaters und erzählt von ihrer eigenen Kindheit und Jugend. Von dem vielen Platz und der Bibliothek im Kriegsopfer-Erholungsheim in den Bergen, von der Armut und den beengten Lebensverhältnissen in der Südtiroler-Siedlung mit den vielen Kindern in einer Küche. Von dem, was sie weiß über ihren Vater, der so schweigsam war wie viele Männer dieser Zeit.
Kein Wort zuviel findet sich in Monika Helfers Roman "Vati", eine Annäherung an das Leben des Vaters der Autorin. Eine Recherche über die Möglichkeit, Leben zu erzählen und Herkunft zu begreifen – die auch die Initiation einer Autorin beschreibt. Als der Vater versehrt aus dem Krieg zurückkehrt, lernt er die Mutter kennen und wird Leiter eines Versehrtenheims in den Bergen. Dort sammelt er Bücher, lebt mit und für sie. Aber bereits hier zeigt sich, was sich nach dem Tod der geliebten Frau ausprägt: eine große Abwesenheit, ein umfassendes Schweigen, das auch das Leben der Kinder prägt. Ein Buch von zärtlicher Traurigkeit – in dem Gefühl und sprachliche Klarheit vollständig ausgewogen sind.