oder

Autorin

Ronya Othmann

Vierundsiebzig

Shortlist 2024

Vierundsiebzig

„Ich habe gesehen. Das Ich ist ein Zeuge. Es spricht, und doch hat es keine Sprache.“ So beschreibt Ronya Othmann in ihrem neuen Roman den Vorgang des Erzählens. Sie will eine Form finden für das Unaussprechliche, den Genozid an der êzîdischen Bevölkerung, den vierundsiebzigsten, verübt 2014 in Shingal von Kämpfern des IS. Vierundsiebzig ist eine Reise zu den Ursprüngen, zu den Tatorten. Der Weg führt in die Camps und an die Frontlinien, in die Wohnzimmer der Verwandten und weiter in ein êzîdisches Dorf in der Türkei, in dem heute niemand mehr lebt. Es geht darum, hinzusehen, zuzuhören, Zeugnis abzulegen, Bilder und Berichte mit der eigenen Geschichte zu verweben, mit einem Leben als Journalistin und Autorin in Deutschland.

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Kommentar der Jury

Vor zehn Jahren verübte die Terrormiliz „Islamischer Staat“ an den Jesiden in der nordirakischen Sindschar-Region einen Völkermord. Ronya Othmann folgt den Spuren dieses Massenverbrechens. Sie besucht die Schauplätze der Massaker, die Flüchtlingscamps, die Gedenkstätten. Sie lässt jene, die der Mordlust des IS nur knapp entfliehen konnten, zu Wort kommen. Eindrucksvoll mischt Othmann Gattungen und Erzählformen – Reisereportage, Gerichtsprotokoll, historische Exkurse, Autobiografisches. Immer wieder betreibt sie poetologische Gewissenserforschung: Wie lässt sich das Grauen angemessen schildern, ohne die Opfer erzählerisch auszubeuten? Ein einzigartiger dokumentarischer Roman über einen Genozid der Gegenwart und die Frage, wie man davon erzählen kann.

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