Preisverleihung 14. Oktober 2024
Preisverleihung 14. Oktober 2024
Jillian und Jacob haben ihre Schicksale dem Glas anvertraut. Jillian spekuliert auf die Ewigkeit, Jacob auf ein intensives Jetzt. Durchsichtig und doch unnahbar, lebendig und doch unbewegt ist die Welt aus Glas. Sie bedeutet viel Geld für den, der erkennt, was er sieht. Wilde Verfolgungsjagden und erotische Eskapaden treiben die Handlung voran. In Ernst-Wilhelm Händlers Roman trifft ‚action‘ auf ‚reflection‘.
Vila und Renz, beide fürs Fernsehen tätig, sind ein Paar im Takt der Zeit mit erwachsener Tochter, Wohnung in Frankfurt und Sommerhaus in Italien – alles so weit gut, wäre da nicht die unstillbare Sehnsucht nach Liebe: die einzige schwere Krankheit, mit der man alt werden kann, sogar gemeinsam. Noch aber sind Vila und Renz nicht alt, auch wenn sie erfahren, dass sie Großeltern werden. Sie stehen voll im Leben, nach außen erfolgreich und nach innen ein Paar, das viel voneinander weiß, aber nicht zu viel. Ein ausbalancierter Zustand; bis zu dem Augenblick, in dem Vila mit ungeahnter Intensität einen anderen zu lieben beginnt. BodoKirchhoff erzählt in seinem neuen großen Lebensroman von einer langen Ehe als ewiger Glückssuche, von frühem Missbrauch als späterer Weltverengung und einem lebenslänglichen, nur im Stillen erfüllten Verlangen. Im Zentrum aber steht die Liebe zwischen Vila, einer Frau in festen Verhältnissen, und dem Einzelgänger Bühl, Biograph eines Paars aus einer vergangenen, gottesfürchtigen Epoche.
Thomas, den Binnenschiffer, hat es von den Flüssen weg in die niedersächsische Provinz verschlagen, wo ihn nachts die Unruhe aus dem Haus treibt. In zehn Regennächten erinnert er sich an Stationen der Reise, auf die ihn das Leben geschickt hat. Immer wieder ist er dabei schwarz gekleideten Leuten begegnet, eben jener dunklen Gesellschaft, vor der ihn schon sein Großvater gewarnt hatte.
"Dunkle Gesellschaft" ist ein Roman der Erinnerung, der zugleich eine gänzlich andere Gegenwart auslotet. Gegen Ende seines Lebens verschlägt es Binnenschiffer Thomas in die deutsche Provinz; nachts treibt ihn die Unruhe um, das Nahen einer „dunklen Gesellschaft“. Das Unheimliche wird bei Loschütz nie mit Andeutungen abgehakt, sondern ist Teil einer Sprachmusik in Moll, die das Buch durchzieht: als Fluss in einer Landschaft, leer wie das Geschwätz der Politik. Diese hat dem Land die Seele geraubt, die der Autor ihm in seinem Roman neu einhaucht.
Eine junge Frau reist in den Ural, um im weltweit größten metallurgischen Kombinat ihren Vater zu besuchen, der dort als Ingenieur eine Industrieanlage errichtet. In der menschenfeindlichen Umgebung der am Reißbrett entstandenen Stadt und der schneebedeckten Ödnis kann die Vergangenheit nicht ruhen. Alte Wunden brechen auf und das Leben der jungen Frau erhält eine neue Bedeutung.
Stefan Wallner fühlt sich von seinen Mitarbeitern hintergangen und ausgebootet. Doch was bei ihm nur im Kopf stattfindet, das erlebt sein Sohn Costin wirklich. Er wird als Popstar gecastet und scheitert. Als Wendy, Costins uneheliche Tochter, ihren Vater kennen lernt, bleibt den beiden nur noch wenig gemeinsame Zeit. Ein Roman über die Frage, ob man Familiengeschichte so erzählen kann, wie sie wirklich passiert ist.
Mit „Wallner beginnt zu fliegen“ zeichnet die Jury des Deutschen Buchpreises einen Drei-Generationen-Roman aus. Das klingt wie ein konventionelles Genre, trägt bei von Steinaecker aber alle Züge des Innovativen, indem er seine Familien-Geschichte nämlich leicht in die Zukunft versetzt. In den Zügen dieser nur sanft und subtil variierten Zukunft gewinnt unsere eigene Gegenwart ein umso prägnanteres Profil. Sciencefiction als soziologische Gegenwartsdiagnostik.
Reither, bis vor kurzem Verleger in einer Großstadt, lebt nun in einem idyllischen Tal am Alpenrand. Von dort beginnt eine unerwartete Reise bis nach Sizilien. Die, die ihn an die Hand nimmt, ist Leonie Palm, zuletzt Besitzerin eines Hutgeschäfts; sie hat ihren Laden geschlossen, weil es an Hutgesichtern fehlt, und er seinen Verlag dichtgemacht, weil es zunehmend mehr Schreibende als Lesende gibt. Als dann nach drei Tagen im Auto am Mittelmeer das Glück über sie hereinbricht, schließt sich ihnen ein Mädchen an, das kein Wort redet.
"Bodo Kirchhoff erzählt vom unerhörten Aufbruch zweier Menschen, die kein Ziel, nur eine Richtung haben – den Süden. Es treibt sie die alte Sehnsucht nach der Liebe, nach Rotwein, Italien, einem späten Abenteuer. Als sie eine junge Streunerin auflesen, begegnen sie den elementaren Themen ihrer Vergangenheit wieder: Verlust, Elternschaft, radikaler Neuanfang. Kirchhoff gelingt es, in einem dichten Erzählgeflecht die großen Motive seines literarischen Werks auf kleinem Raum zu verhandeln. Gleichzeitig erzählt er von unserer Gegenwart und davon, wie zwei melancholische Glückssucher den Menschen begegnen, die in der Jetztzeit den umgekehrten Weg von Süden nach Norden antreten. Kirchhoffs „Widerfahrnis“ ist ein vielschichtiger Text, der auf meisterhafte Weise existentielle Fragen des Privaten und des Politischen miteinander verwebt und den Leser ins Offene entlässt."
Jeden Tag schwimmt Walter Nowak seine Bahnen im Freibad. Eines Morgens bringt eine Begegnung ihn aus der Fassung, mit fatalen Folgen: Der Länge nach ausgestreckt findet er sich wenig später auf dem Boden seines Badezimmers wieder, bewegungsunfähig und auf sich allein gestellt. "Von nun an geht es abwärts, immer abwärts", schießt es ihm durch den Kopf. Zunehmend verliert er die Kontrolle, Gedankenfetzen, Bilder aus der Vergangenheit stürzen auf ihn ein: das Weihnachtsfest mit seiner ersten Frau Gisela, ihr Schweinebraten, ihre Tränen; der Blick seines Sohnes Felix, als er von der Trennung erfährt; Erinnerungen an seine eigene Kindheit als unehelicher Sohn eines GIs; und, vor kurzem, eine Diagnose seiner Ärztin. Während nach und nach alles vor seinen Augen verschwimmt, ziehen seine Gedanken immer engere Kreise, nähern sich einem verborgenen Zentrum, dem Anfang, dem Ende ... Als das Hitzegewitter endlich losbricht, steht plötzlich sein Sohn Felix vor der Tür. Mit verblüffender erzählerischer Souveränität und großer Empathie zeichnet Julia Wolf in ihrem zweiten Roman ein eindrückliches Männerporträt: Walter Nowak, Kind der Nachkriegszeit, steht an einem Scheideweg. Seinem Gedankenstrom folgend macht der Leser eine faszinierende Reise in die menschliche Psyche.
Alexander Orlow, ein russischer Oligarch und von allen "Der General" genannt, hat ein neues Leben in Berlin begonnen. Doch die Erinnerungen an seinen Einsatz im Ersten Tschetschenienkrieg lassen ihn nicht los, vor allem jene an die grausamste aller Nächte, nach der von der jungen Tschetschenin Nura nichts blieb als eine große ungesühnte Schuld. Der Zeitpunkt der Abrechnung ist gekommen – der Sühneplan führt über Moskau und Marrakesch bis tief hinein in den Kaukasus.
Die Lust am Erzählen steckt hier in jeder Zeile. Von der ersten Seite an ist die Leserin, der Leser mittendrin in diesem Schuld und Sühne-Roman, verfolgt fiebrig den Racheplan des Generals. Der will ein Verbrechen sühnen, an dem er während des Tschetschenienkrieges selbst beteiligt war. Unter der Thriller-Ebene verlaufen Erzählspuren voller Fragen: Wie wirkt die „toxische Vergangenheit“ in die Gegenwart? Sind Kriege nie vorbei? Warum sehnt sich die in Deutschland lebende georgische Familie nach ihrer Heimat, obwohl diese doch die Hölle war? Die Figuren – allesamt „zwischen Zeiten und Welten Steckengebliebene“ – sind voller Vitalität und alles ist bildstark und sinnlich erzählt: Großes Kino!