Cérémonie 14 Octobre 2024
Cérémonie 14 Octobre 2024
Wie lang wird das Leben des Kindes sein, das gerade geboren wird? Wer sind wir, wenn uns die Stunde schlägt? Wer wird um uns trauern? JennyErpenbeck nimmt uns mit auf ihrer Reise durch die vielen Leben, die in einem Leben enthalten sein können. Sie wirft einen scharfen Blick auf die Verzweigungen, an denen sich Grundlegendes entscheidet. Die Hauptfigur ihres Romans stirbt als Kind. Oder doch nicht? Stirbt als Liebende. Oder doch nicht? Stirbt als Verratene. Als Hochgeehrte. Als von allen Vergessene. Oder doch nicht? Lebendig erzählt Erpenbeck, wie sich, was wir "Schicksal" nennen, als ein unfassbares Zusammenspiel von Kultur- und Zeitgeschichte, von familiären und persönlichen Verstrickungen erweist. Der Zufall aber sitzt bei alldem "in seiner eisernen Stube und rechnet".
Wie erträgt man das Vergehen der Zeit, wenn man zur Untätigkeit gezwungen ist? Wie geht man um mit dem Verlust derer, die man geliebt hat? Wer trägt das Erbe weiter? Richard, emeritierter Professor, kommt durch die zufällige Begegnung mit den Asylsuchenden auf dem Oranienplatz auf die Idee, die Antworten auf seine Fragen dort zu suchen, wo sonst niemand sie sucht: bei jenen jungen Flüchtlingen aus Afrika, die in Berlin gestrandet und seit Jahren zum Warten verurteilt sind. Und plötzlich schaut diese Welt ihn an, den Bewohner des alten Europas, und weiß womöglich besser als er selbst, wer er eigentlich ist.
Jenny Erpenbeck wendet sich mit “Gehen, ging, gegangen” einem höchst aktuellen Thema – dem Umgang mit Flüchtlingen – in literarisch so kluger wie berührender Weise zu: Die eher zufällige Begegnung mit Flüchtlingen aus Afrika in Berlin konfrontiert einen emeritierten Professor für Literaturgeschichte mit den Problemen dieser Menschen. In Interviews mit ihnen taucht er immer tiefer ein in das, was unter der Oberfläche verborgen bleibt: die bürokratische Unmenschlichkeit, das schreckliche Warten. Jenny Erpenbeck macht so die Stimmen der Anderen hörbar. Zugleich verknüpft sie die Gegenwart mit der Vergangenheit und verdeutlicht, dass die Figur des Flüchtlings immer schon Teil auch unserer (abendländischen) Geschichte ist.